Liechtenstein bietet Sicherheit und Stabilität – das bleibt gefragt

Interview vom 29. Oktober 2020 von Holger Franke mit Ivo Elkuch im Liechtensteiner Volksblatt

Die Coronakrise hat auch in der Treuhandbranche vieles verändert. Doch das ist nicht alles. Immer neuen Regulatorien machen zu schaffen, trotzdem blickt Ivo Elkuch, Geschäftsführer der Treuhandkammer, optimistisch in die Zukunft.

«Volksblatt»: Herr Elkuch, die Coronavirus-Pandemie macht sich auch wirtschaftlich stark bemerkbar. Würden Sie sagen, dass der Finanzsektor ein stabilisierender Faktor am Standort Liechtenstein sein kann?

Ivo Elkuch: In der Tat hat sich herausgestellt, dass der Finanzsektor hier viel weniger stark betroffen ist und somit eine stabilisierende Wirkung auf die Wirtschaft ausübt. Die Treuhandbranche mit ihrer hohen Wertschöpfung und den daraus korrespondierenden Steuereinnahmen trägt, wie gerade diese Krise zeigt, einiges zum Ausgleich bei im Sinne einer gesunden Diversifikation der liechtensteinischen Wirtschaft. Die relative Krisenfestigkeit des Treuhandsektors rührt daher, dass ihr Geschäftsmodell auf sehr lange Frist angelegt ist. Da die Haupttätigkeit des Treuhandsektors darin besteht, Vermögensstrukturen zweckgebunden und oft über Generationen hinweg zu verwalten und den Zwecken entsprechende Ausschüttungen an Begünstigte vorzunehmen, ist die Anfälligkeit für kurz- und mittelfristige Schwankungen sehr tief. Gerade in einem unsicheren Umfeld kommen die Stärken des liechtensteinischen Finanzplatzes – ich denke hier insbesondere an die Verlässlichkeit, die Stabilität, die Rechtssicherheit und das Denken in Generationen – besonders zur Geltung. Das lässt berechtigt hoffen, dass die Entwicklung auch für die Zukunft positiv bleiben wird.

Wie wirkt sich die COVID-19-Situation konkret auf die Arbeitsweise der Treuhandbranche aus?

Die aktuellste Herausforderung ist sicher die COVID-19-Situation, die die Art, wie wir zusammen arbeiten, deutlich verändert hat. Videokonferenzen und Homeoffice sind über Nacht in den Büroalltag integriert worden. Auch Schichtbetrieb, wie man es von der Industrie her kennt, hat in einigen Büros Einzug gehalten, um das Personal maximal schützen zu können und die Funktionsfähigkeit in jedem Fall aufrechterhalten zu können. Gerade das Homeoffice wird die Arbeitswelt auch künftig stark beeinflussen. Je nach Art der Arbeit und der Persönlichkeit der betroffenen Person konnte man feststellen, dass sich die Situation in vielen Konstellationen positiv auf die Arbeitsleistung auswirkt. Direkte Kundenkontakte sind zwar nach wie vor auf digitaler Basis möglich, können aber auf lange Frist das persönliche Gespräch nicht ersetzen. Das Gewinnen neuer Kunden ist entsprechend schwieriger geworden. Man hat auch die Grenzen der Digitalisierung näher kennengelernt – mehrstündige Videokonferenzen etwa sind in vielerlei Hinsicht eher eine Belastung als eine Bereicherung.

Sie haben die verschiedenen Schlagzeilen in diesem Jahr sicherlich wahrgenommen: Wie ist die Stimmung unter den Treuhändern derzeit?

Eigentlich gut. Aber wir wurden bekanntlich auch mit dem verwerflichen kriminellen Verhalten in zwei Treuhandfirmen überrascht, das leider die öffentliche Wahrnehmung der ganzen Treuhandbranche negativ beeinflusst hat. Das muss rasch korrigiert werden. Das höchste Gut, das es unter allen Umständen hochzuhalten und zu verteidigen und immer wieder aufs Neue zu gewinnen gilt, ist das Vertrauen unserer Kunden. Entsprechend setzen wir alles daran, dieses zu verdienen und zu bestätigen. Doch auch die Treuhandbranche ist vor schwarzen Schafen nicht gefeit. Wir haben zwischenzeitlich sozusagen jeden Stein umgedreht, um das Risiko für allfälliges Fehlverhalten zu minimieren. Ganz ausschliessen lässt sich dies leider nie. Diese Optimierung im Hinblick auf grösstmögliche Sicherheit für den Kunden ist ein stetiger Prozess. In diesem Zusammenhang wurden auch das Treuhändergesetz sowie die Standesrichtlinien der Treuhandkammer überarbeitet.

Auch unzufriedene Begünstigte sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Wie stellen Sie sich dazu?

Sie beziehen sich auf die zwei Fälle von Nachkommen sehr vermögender und prominenter Personen, welche den zweckgebundenen Einsatz des Vermögens, wie sie ihn der verstorbene Errichter zu Lebzeiten vorgenommen hat, nicht akzeptieren wollen. Dabei werden alle – und nicht selten auch unfaire – Register gezogen, um dies zu bekämpfen. Das lässt sich leider nicht verhindern. Hier sind wir letztlich auf eine objektive, ausgewogene und faktenbasierte Berichterstattung durch die Medien angewiesen. Fakt ist, dass sich Liechtensteins Regelungen im Gesellschaftsrecht durch eine ausgewogene Balance zwischen dem Willen des Stifters oder Treugebers einerseits und der Rechte der Begünstigten andererseits auszeichnen. Natürlich kann man auch hier immer weiter optimieren. Dabei ist aber zu bedenken, dass das Stiftungsrecht erst vor 10 Jahren angepasst wurde und dabei die Foundation Governance und die Rechte und Stellung der Begünstigten stark ausgebaut wurden. Wenn man sich anschickt, wichtige Rechtsgrundlagen des Gesellschaftsrechts alle 10 Jahre zu ändern, verlässt man den bisher verfolgten Pfad der Verlässlichkeit und Rechtssicherheit. Selbstredend spricht nichts dagegen, Optimierungen dort anzubringen, wo solche eindeutig geortet werden können. Das Ziel muss sein, aus Fehlern zu lernen und das Gute beizubehalten. Liechtenstein ist seit fast hundert Jahren ein sicherer Hafen für Vermögen, das in liechtensteinische Rechtsträger, insbesondere Stiftungen und Trusts, überführt und spezifischen Zwecken gewidmet worden ist. Wir setzen alles daran und glauben auch daran, dass Liechtenstein für ihre Kunden hierfür auch für die nächsten hundert Jahre und darüber hinaus einer der besten Plätze auf der Welt bleiben wird. In diesem Sinne ist die Stimmung durchaus optimistisch.

In den vergangenen Monaten wurde viel über die Aufsicht über die Treuhandbranche geredet. Welchen Stellenwert hat die Aufsicht durch die FMA aus Ihrem Blickwinkel?

Die Aufsicht spielt eine sehr wichtige Rolle und hat einen hohen Stellenwert. Die starke Regulierung und entsprechende Aufsicht kostet in der Umsetzung viel und beschert uns, dort wo die Spiesse nicht gleich lang sind, einen gewissen Wettbewerbsnachteil. Dies trifft die Treuhandbranche stärker, da es für ihren Berufszweig anders als dies bei Banken oder Vermögensverwaltern der Fall ist, keine einheitlich europäischen Finanzmarktregulierungen gibt, die die Tätigkeiten fast bis ins letzte Detail regeln. Gleichzeitig ist eine starke Aufsicht aber auch ein Qualitätsmerkmal, das langfristig Vertrauen schafft und stärkt. Letzteres ist gerade in unsicheren Zeiten von unschätzbarem Wert. Ich meine, dass, wenn nicht übertrieben und das so wichtige Augenmass gewahrt werden kann, die höheren Kosten durch die damit gewonnene Rechtssicherheit und Stabilität gerechtfertigt werden können. Dennoch ist es nicht so, dass mehr Regulierung zwangsläufig zu besseren Verhältnissen oder Lösungen führt. Es braucht das richtige Mass, das in letzter Zeit doch recht ausgeschöpft wurde.

Mit anderen Worten: Aus Ihrer Sicht wurde zu viel reguliert?

Die fortlaufende Umsetzung der europäischen und internationalen Standards hat zu einer regelrechten Regulierungsflut geführt. Auch wenn es berechtigte Zweifel an der Sinnhaftigkeit einzelner Regelungen gibt, führt dennoch kein Weg an der vollständig konformen Umsetzung dieser Standards vorbei. Die Anerkennung liechtensteinischer Produkte und Dienstleistungen und insbesondere der unmittelbare Zugang zum europäischen Markt sind für Liechtenstein von essenzieller Bedeutung. Entsprechend ist die Gewährleistung der Konformität mit internationalen und europäischen Standards eine zentrale Bedingung für das Wohl des Finanzplatzes mit überragender strategischer Bedeutung. Sorgen macht uns die verstärkt wahrnehmbare Tendenz, dass die europäischen Vorgaben grundrechtliche Aspekte wie den Schutz der Privatsphäre immer mehr aussen vor lassen. Ein solcher Raubbau an den Grundfesten der Rechtsordnung wird sich, wie die Geschichte lehrt, über kurz oder lang rächen. Europa – und damit auch wir – bewegt sich auf das Modell China mit breit akzeptierter totaler Überwachung hin und das erachte ich als keine erstrebenswerte Entwicklung. Es ist zu hoffen, dass nicht zu spät bemerkt wird, welche schädlichen Auswirkungen die immer mehr um sich greifende algorithmenbasierte zwangsläufig nicht diskriminierungsfreie Auswertung anlasslos gesammelter und miteinander verknüpften Daten auf unsere Gesellschaft haben wird. Dabei darf uns besonders zu denken geben, dass mit den heute gesammelten Daten nicht nur wir selbst, sondern auch unsere Kinder und Kindeskinder unwiderruflich davon betroffen sein werden.

Nächstes Jahr findet eine Evaluation Liechtensteins durch Moneyval statt, also dem Expertenkomitee zur Überprüfung der Massnahmen gegen Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung. Würden Sie sagen, dass Liechtenstein hier gut aufgestellt ist?

Hier gilt es zunächst einmal zu erklären, dass das Anbieten von Finanzdienstleistungen immer und überall auf der Welt mit dem Risiko von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung verbunden ist – ob man das will oder nicht. Die Auseinandersetzung mit dem Verdacht auf Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung gehören zum Tagesgeschäft jedes Finanzdienstleisters. Je nach Grösse beschäftigen sich ganze Abteilungen damit. Es geht dabei darum, diese Risiken zu erkennen, zu managen und diese nach Möglichkeit zu vermeiden oder zu verringern oder Wege zu suchen, mit diesen Risiken mit der nötigen Sorgfalt und Vorsicht umzugehen. Moneyval wird prüfen, ob in diesem Bereich die richtigen Massnahmen gesetzt sind und auch umgesetzt werden. Durch diese Massnahmen in Verbindung mit der hohen «Awareness» in diesem Bereich sind wir gut aufgestellt. Aber wir sind auch überzeugt, dass es in diesem Zusammenhang immer Verbesserungs- und Anpassungsbedarf geben wird. Ironischerweise ist die relativ zur Grösse des Finanzplatzes geringe Anzahl von Verdachtsmeldungen und Verurteilungen ein Problem. Die alemannische Gründlichkeit in Verbindung mit der daraus resultierenden überaus peniblen Prüfung neuer und bestehender Kundenbeziehungen und auch etwas vertieftere als gemeinhin übliche Vorabklärungen sind Hauptgründe dafür. Wenn die vergleichsweise tiefere Anzahl von Verdachtsmitteilungen hingegen zur Vermutung führen sollte, dass der Umgang in Sachen Umsetzung, Aufsicht oder Verfolgung zu leger sei, so trifft dies hingegen in Liechtenstein meiner Wahrnehmung nach aber ganz und gar nicht zu.

Der Standort Liechtenstein bietet bekanntermassen eine Reihe von Vorzügen. Was sind denn heute die massgeblichen Beweggründe, die Kunden nach Liechtenstein bringen?

Unsere zentrale Lage, die Stabilität und Rechtssicherheit, die Möglichkeit sowohl im europäischen als auch im schweizerischen Wirtschaftsraum agieren zu können, machen den Finanzplatz Liechtenstein attraktiv und schaffen Vertrauen. Dies in Verbindung mit der Professionalität, dem breiten Angebot an Dienstleistungen, der Vernetzung und dem Know-how. Die fruchtbare und gute Zusammenarbeit zwischen Banken und Treuhändern, Vermögensverwaltern, Versicherungen und Fondsverwaltungen und das umfassende, sich ergänzende Dienstleistungsangebot sind ein weiteres Plus. Dies alles zusammen ermöglicht, vertieft auf die Bedürfnisse internationaler Kunden eingehen zu können. Damit sind wir sehr wettbewerbsfähig. Liechtenstein bietet mit seinen Rahmenbedingungen – etwa unter Zuhilfenahme des dafür geeigneten Instrumentes wie eine Stiftung oder ein Trust – ausgezeichnete Lösungen, Vermögen für die von ihnen vorgesehenen Zwecke über Generationen zu erhalten. Diese Rahmenbedingungen schaffen auch hervorragende Voraussetzungen für Family Offices. Verschiedene zusätzliche Rahmenbedingungen wie die lange Tradition eines liberalen Gesellschaftsrechts, die jahrzehntelange Erfahrung in einem weltweiten Wettbewerb, die Möglichkeit, verschiedenste Finanzdienstleistungen auf kleinstem Raum beziehen zu können, die stabile Frankenwährung oder die kurzen Wege tragen zur weiteren Attraktivität bei. Die Treuhandbranche hat im Bereich der Verwaltung von Vermögen über Generationen über die Jahrzehnte viel Erfahrung und Know-how aufgebaut und ist auch entsprechend international vernetzt. Sie geniesst entsprechend weltweit Respekt in Fachkreisen.

Die Philanthropie ist hierzulande seit vielen Jahren ein bedeutsamer Faktor. Kommt es oft vor, dass die vorhin erwähnten Zwecke philanthropische sind, das heisst, dass Kunden gemeinnützige Stiftungen oder Trusts errichten?

Ja, das kommt häufig vor. Liechtenstein hat sich dadurch zu einem Philanthropiestandort entwickelt. Etwa jede achte errichtete Stiftung ist heute eine gemeinnützige, die der Stiftungsaufsicht unterstellt ist. Doch auch bei den restlichen privatnützigen Stiftungen sind sehr oft grössere Teile des Vermögens für gemeinnützige Zwecke vorgesehen. Informationen zum Philanthropiestandort Liechtenstein finden sich auf der Website der Vereinigung liechtensteinischer gemeinnütziger Stiftungen und Trusts (VLGST) unter www.vlgst.li.

Lassen Sie uns doch einmal ein wenig nach vorn blicken: Wie beurteilen Sie die Zukunft der Arbeitsplätze in der Treuhandbranche?

Die Treuhandbranche ist, wie sich gezeigt hat, sehr krisenresistent und wir blicken auch optimistisch in die Zukunft. Die Nachfrage ist da. Es gibt jährlich mehrere fähige Berufsanwärter, welche die schwierige Prüfung als Treuhänder erfolgreich ablegen. Die internationale Ausrichtung, die hohen Anforderungen an eine abwechslungsreiche Tätigkeit und die Notwendigkeit stetiger beruflicher Weiterbildung schaffen attraktive Arbeitsplätze. Auch für Lernende im kaufmännischen Bereich bietet die Treuhandbranche spannende Ausbildungsplätze, mit der Aussicht auf eine nachfolgende Anstellung mit verschiedensten Aufstiegsmöglichkeiten. Fremdsprachenkenntnisse sind hier nicht nur theoretisch gefordert, sondern kommen hier in der Regel auch tagtäglich zur Anwendung. Die Digitalisierung hat die Treuhandbranche ebenfalls schon längst erreicht – der verstärkte Einsatz von EDV verbessert nicht nur die Effizienz, sondern entlastet auch von Routinetätigkeiten und macht die Arbeit gerade auf Sachbearbeitungsebene entsprechend spannender.

Die Anzahl der verwalteten Gesellschaften hat sich jedoch in den vergangenen Jahren deutlich verringert. Steht das nicht im Widerspruch zu Ihrem optimistischen Ausblick?

Die überschaubarere, aber immer noch beachtliche Anzahl der verwalteten Gesellschaften, darf heute durchaus als Qualitätszeichen gewertet werden. Die Ansprüche an das treuhänderische Kerngeschäft, nämlich der langfristige Erhalt und zweckgebunden Einsatz von Vermögen über Generationen hinweg, sind stark gestiegen, sowohl was Umfang und Qualität der damit zusammenhängenden Dienstleistungen entspricht. Dies gilt auch für den Verwaltungsaufwand, der der stark zunehmenden Regulierung geschuldet ist. Entsprechend gab es in letzter Zeit zwar keine Steigerung des Umsatzes, aber auch keine dramatischen Einbrüche. Die Transformation hat somit Veränderungen gebracht, aber auch neue Chancen. Diese sehen wir insbesondere in der Verbesserung der Anerkennung Liechtensteins als Finanzplatz mit seiner Vielfalt an Dienstleistungen im Herzen Europas. Alles in allem darf die Treuhandbranche grundsätzlich gelassen in die Zukunft schauen. Eindeutig schwieriger geworden ist das Umfeld für Einzeltreuhänder oder kleine Treuhandgesellschaften. Die europäischen Vorgaben begünstigen hier letztlich grössere Geschäftseinheiten. Eine mögliche Lösung sind hier Kooperationen, die vermehrt angeboten und nachgefragt werden. «Reduce to the max» ist hier die Devise.

Was würden Sie derzeit zu den aktuellen Herausforderungen zählen?

Die Erkenntnis, dass Liechtenstein ein Finanzplatz ist, dessen Regulierung den Vorgaben internationaler Standards nachlebt und diese auch mit hoher Effektivität umsetzt, setzt sich international erst allmählich und mit relativ gemächlichem Tempo durch. Entsprechend kommt es immer wieder vor, dass es zu Schwierigkeiten bei der Anerkennung liechtensteinischer Strukturen und Produkten im Geschäftsverkehr kommt, obwohl dies gerade in Europa resp. im Europäischen Wirtschaftsraum gerade nicht sein dürfte. Entsprechend liegt eine grosse Herausforderung in der Kommunikation. Eine Hauptaufgabe von Liechtenstein Finance ist zu vermitteln, was der liechtensteinische Finanzplatz bietet, wofür er steht und wie er international eingebettet und vernetzt ist. Eine weitere stete Herausforderung ist die Sicherstellung der fortlaufenden Weiterbildung unserer Mitglieder. Hier ist es mittlerweile anspruchsvoll geworden, mit dem Tempo der Regulierung Schritt zu halten. Neben eigenen Schulungen, organisationsinternen Schulungen und Schulungen einzelner Anbieter hat hier das Schulungsangebot und die Zusammenarbeit mit der Universität Liechtenstein einen grossen Stellenwert. Die Beratung im steuerlichen Bereich bis hin zum Aufsetzen und der Verwaltung steuerlich anerkannter Strukturen ist eine weitere Kerntätigkeit der Treuhänder. In diesem Bereich ist es in letzter Zeit wesentlich herausfordernder geworden, alle Ansprüche zu erfüllen. Die Entwicklung geht dahin, dass immer mehr wirtschaftliche Substanz in Liechtenstein verlangt wird. Diese Entwicklung mag in weiten Teilen gerechtfertigt sein, allerdings besteht hier die Gefahr, dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Ob genügend Substanz vorhanden ist, ist nämlich eine komplexe und knifflige Frage, für die im Einzelfall jeweils viele verschiedene, auch je nach betroffenem Land verschiedene, Parameter zu prüfen sind, wobei steuerrechtliche Erwägungen im Vordergrund stehen müssten. In der Praxis macht man es sich dann allerdings leider oft zu einfach, indem die Latte dann so hoch hängt, dass unabhängig von einzelnen Umständen so viel verlangt wird, dass jede Unsicherheit von vornherein vermieden wird. Faktisch werden damit kommerzielle Tätigkeiten, die wenig Substanz benötigen, vom Finanzplatz ferngehalten. Das mag zwar risikomindernd sein, bricht aber mit der wirtschaftsliberalen Tradition und schränkt das Tätigkeitsfeld unnötig ein. Ebenfalls eine grosse Herausforderung ist es, den nötigen Rückhalt in der Bevölkerung für die Anliegen der Treuhandbranche zu erreichen. Allzu lange hat die Trauhandbranche es – mit Fokus auf die internationale Kundschaft – nicht besonders wichtig befunden, im Inland zu erklären, wo wir als Treuhänder stehen und was wir warum machen. Hier gilt es, Versäumnisse nachzuholen und unter anderem aufzuzeigen, was sich nur schon in den letzten zehn Jahren alles verändert hat, was die Aufgabe und das Tätigkeitsfeld der Treuhänder ist und wie gross der Nutzen ihrer Branche ist. Nicht nur für die Kunden im In- und Ausland, sondern auch für Staat und Gesellschaft. Man denke etwa an die Vielzahl aus diesem Geschäftsfeld hervorgegangener gemeinnützigen Stiftungen oder auch privatnützigen Stiftungen mit einem ansehnlichen Anteil von Ausschüttungen für gemeinnützige Zwecke – auch im Inland. Die Kompetenz, das Know-how, die Erfahrung und internationale Vernetzung sowie das auf Generationen angelegte Wirken der Treuhänder im Bereich der Wealth Preservation (langfristiger Vermögenserhalt) kann man sich nicht wegdenken. Ohne diesen wichtigen Geschäftszweig wäre nicht nur eine Vielzahl von Arbeitsplätzen, zum Beispiel auch bei den Banken, nicht mehr vorhanden, sondern auch die Gefahr gross, dass die kritische Masse für einen prosperierenden Finanzplatz unterschritten wird.

Sie haben Finance Liechtenstein bereits angesprochen. Welche Rolle spielt der Verein in der Kommunikation?

Liechtenstein Finance e.V. – mit ihrer Website www.finance.li – ist das Sprachrohr und die gemeinsame Kommunikationsplattform des gesamten Finanzplatzes. Es gibt sehr viele – dies je länger je mehr – übergreifende Themen, die man idealerweise auch zusammen angeht, um dann mit einer Stimme nach innen und aussen aufzutreten. «Tue Gutes und sprich darüber». Dabei fasst das «sprich darüber» den Informationsauftrag von Liechtenstein Finance zusammen.

Wenn Sie auf die Zukunft der Branche blicken: Woran denken Sie dann?

Wir stellen fest, dass das Bedürfnis der Kunden nach Sicherheit und Stabilität und die Möglichkeit einer beständigen und vertrauensvollen Beziehung zwischen Kunde und Finanzdienstleister ungebrochen ist und in einer Zeit, wie wir sie alle aktuell erleben, vermehrt an Bedeutung gewinnt. Dies gilt ebenso für das Bedürfnis, sich von einem Teil seines Vermögens zu trennen, dieses in einen Rechtsträger zu überführen und generationenübergreifend sowie einem definierten Zweck entsprechend verwalten zu lassen. Hier sind wir äusserst gut aufgestellt. Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten, die Bindung zum Kunden oder in der Folge auch zu Begünstigten oder Ausschüttungsempfängern noch zu verstärken und noch besser und intensiver auf Bedürfnisse eingehen zu können. Die internationale Ausrichtung des Finanzplatzes und seiner Dienstleistungen und das dafür seit Jahrzehnten bestehende Netzwerk ist eine gute Voraussetzung, um den Herausforderungen zu begegnen, die sich durch die stärkere Mobilität der neuen Generation ergeben. Mit der Blockchain stünde zwar eine Technologie bereit, die das sonst notwendige Vertrauen, das durch Finanzintermediäre vermittelt wird, quasi durch die Technologie ersetzt. Ich glaube aber, mich nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen, wenn ich behaupte, dass es noch mehrere Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern wird, bis diese Technologie tatsächlich bereit ist, diese ihr zugedachten Aufgaben auch tatsächlich erfüllen zu können. Es wird aber sehr spannend sein zu verfolgen, was sich hier wann und auf welche Weise ändert. Bislang scheint das disruptive Potenzial fast unangetastet. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass sich Liechtenstein in Bezug auf die Blockchaintechnologie vergleichsweise gut positioniert hat und es der hiesige Finanzplatz wohl als eine der ersten mitbekommen wird, wenn sich hier bahnbrechende Entwicklungen abzeichnen sollten.

Gibt es etwas, das Sie den Lesern zum Schluss noch mitgeben möchten?

Der liechtensteinische Finanzplatz denkt in Generationen. Die liechtensteinische Treuhandbranche bietet attraktive und sehr vielseitige Arbeitsplätze und grossartige Dienstleistungen für Kunden auf der ganzen Welt. Auf das sollten wir in Liechtenstein alle stolz sein.